Die Lieblingstoots im Februar 2023

Früher™ einmal hatte ich im Vorgänger dieses Blogs eine Rubrik mit Lieblingstweets, den lustigsten bonmots der vorangegangenen Wochen. Das war, als Twitter in erster Linie von wortgewandten Menschen mit oft schrägem Sinn für Humor befüllt wurde, die sogar Lesungen ihrer Tweets veranstalteten – lang, lang ist’s her. Man konnte in jenen Tagen keine drei Tweets weit scrollen, ohne laut lachen zu müssen.
Nicht wenige der Bonmot-Superstars, die sich den Tag über hauptberuflich auf Twitter zu tummeln schienen und im Nebenerwerb oft z. B. TexterInnen in Werbeagenturen waren, bekamen anschließend einen Buchvertrag von seriösen Verlagen angeboten, oder durften wenigstens einen Abreißkalender befüllen. Dreiste, professionelle Tweetklauer kopierten die besten Tweets im Bildformat rüber zu Instagram und Facebook und machten ein Geschäft daraus, lebten von den Anzeigeneinnahmen und alles, ohne den AutorInnen etwas abzugeben oder ihnen auch nur die Quellenangabe und Namensnennung zu gönnen. Das WWW scheint tatsächlich für WildWestWichser zu stehen.
Irgendwann wurde es stiller unter den besten, diesen Menschen, die mit einem Humor, trockener als der Boden eines Papageienkäfigs, gesegnet sind. Es gab kaum noch Nachwuchs. Vielfach verschwanden sie leise, vielleicht wurden sie auch einfach überdröhnt von denjenigen, die nichts zu sagen hatte, das aber umso lauter, wie so oft im Leben. Ich fand kaum mehr Lieblingstweets, um die Rubrik hier zu befüllen, und so schloss ich sie eines Tages bedauernd.
In den ersten Tagen nach der großen Flucht von der zusammenbrechenden Plattform und hin zu den geheimnisvollen Inseln von Mastodon, im November/Dezember 2022 also, waren die Poeten und Clowns noch nicht ganz wieder in ihrem Element. Aber vereinzelt witzelte man schon wieder, was sollte man auch sonst machen? „Die Lage ist hoffnungslos, aber niemals ernst“ hieß das in den 80ern, als Twitterperlen noch Spontisprüche hießen und meist an Wände gesprüht oder als Button am Revers der Jeansjacke getragen wurden. Wir hatten ja nix.
Inzwischen ist es auch auf Mastodon nicht mehr ganz so heiter-anarchisch wie damals im November. Die politischen AktivistInnen scheinen auch hier langsam zu überwiegen, und wenn es eines gibt, was solche Leute – übrigens spektrumsübergreifend – leider so gar nicht haben, dann ist es Humor. Links und Rechts sind Kategorien, die schon seit Ewigkeiten so kaputt sind, dass sie nur noch durch die vergiftete Spucke der ProtagonistInnen zusammengehalten werden. Inzwischen gilt man schon als Links, wenn man fürs Grundgesetz eintritt, und als Rechts, wenn man nicht gendern möchte und gern Auto fährt.
Immerhin verhindert das Konzept der Dezentralisierung und Föderation bei Mastodon die Brandbeschleunigung bei Aufregern, die bei Twitter durch den Algorithmus befeuert wird. Ich konnte zumindest noch keine Massenschlägereien entdecken, aber vielleicht bin ich auch gesegnet mit einer halbwegs harmonischen Timeline und einem so unauffälligen, kuscheligen, kleinen Eiland inmitten der tosenden See, dass solche Stürme über mich hinwegfegen. (Es ist übrigens noch Platz, sagt unser freundlicher Admin. Wer noch keinen neuen Heimathafen gefunden hat, aber den verseuchten, giftigen Sümpfen von Mordor Twitter entfliehen möchte, bediene sich gern an diesem Einladungslink.)
Sehr gelegentlich stolpere ich noch über schöne Toots, die ich jetzt gern wieder hier im Blog festhalten möchte, bevor ich sie nicht mehr wiederfinde. Wir brauchen jeden Lacher, den wir kriegen können. Die Lage ist hoffnungslos, aber niemals ernst.




