Lieblinks 7/2023

„Der Winter ist zurückgekehrt“ hätte ich beinahe geschrieben, aber wir hatten ja noch gar keinen. Der Winter hat sich verschoben. Maulwurf Roger (oben im Bild) schüttelt wütend die Fäuste in die Schneeflocken. Herr Buddenbohm beschreibt das Wetter so: „Möwen in Höchstgeschwindigkeit am Himmel, in großem Bogen um die Kirche herum, deren Wetterfahne unruhig rüttelnd Süd, Südwest anzeigt.“
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Das Blog des Britischen Künstlerbedarfhändlers Jackson’s Art hat einen kleinen, feinen Artikel über eine meiner Lieblingsfarben geschrieben: The Unexpected History of Payne’s Gray.
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Für den Freundeskreis besonderer Bibliotheken gibt es hier die “Underground Library” in Kisarazu, Japan.
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Frau Novemberregen schreibt über Pretty Woman oder Dirty Dancing und ich stelle so einmal mehr für mich fest, wie unterschiedlich wir die Qualität von Filmen bewerten. Generell bin ich zwar mit ihr einer Meinung: Beide Filme sind nicht gerade mit einer sonderlichen raffinierten Handlung ausgestattet. Aber manchmal ist das Ganze doch mehr, als die Summe seiner Teile. Die unsichtbaren Zutat, die beide Filme für mich zu einem Gewinn macht, lautet “historischer und persönlicher Kontext”. Ich erinnere mich daran, wann und in welchem Kino und mit wem ich diese Filme sah, und erfreue mich an den entsprechenden Begleitumständen. Eine verschrobene Eigenheit, die zunehmend verschrobener wirken muss, geht doch heutzutage kaum noch jemand ins Kino, um einen Film zu sehen. Das gemeinsame Erlebnis fällt weg, mit einigen hundert Leuten im Dunklen zu sitzen und sich vom Film überraschen zu lassen, und nein, es ist nicht dasselbe, mit einem Haufen Twitterfreunde synchron eine Serie oder einen Film zu streamen. Das hat zwar auch was, aber die indirekte gemeinsame Emotion hält nicht so lange vor, glaube ich.
Aber vielleicht bin ich auch einfach nur besonders sentimental, das kann gut sein. Was mich zu einem meiner Lieblingssprüche bringt: „Denk immer daran, dass du absolut einzigartig auf der Welt bist. Wie jeder andere auch.“
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Chris Rock hat ein Jahr lang gewartet, um die Ohrfeige an Will Smith zurückzugeben. Die Meinungen zu seiner Antwort qua Netflix-Special sind gespalten. Der gefühlt größte Anteil des Schwarzen Publikums findet sie übertrieben, zu spät und zu hart gegenüber Smiths Frau Jada. Außerdem gibt es noch eine kleine, laute Minderheit, die ihm übelnimmt, Michael Jackson in dieselbe Reihe mit R. Kelly gestellt zu haben und sich außerdem noch über Meghan Markles vorgebliche Naivität in Sachen Royal Family lustig zu machen. Nicht wenige finden sogar, Rock habe Smith gegenüber dankbar zu sein, dass Netflix ihm nun 40 Millionen Dollar für sein Special zahle. Dass der Deal mit Netflix 2016 für zwei Specials ohne konkrete Zeitleiste geschlossen wurde, das erste davon 2018 erschien – und ungeheuer erfolgreich war – wird von der Empöreria dabei entweder übersehen oder ist ihr gar nicht bekannt. Und dann gibt es noch diejenigen, die meinen, Smith hätte mit der Ohrfeige Rocks Karriere wiederbelebt. Ich will es mal so sagen: Wenn jemand nicht nur 40 Millionen Dollar für zwei Netflix-Specials bekommt, sondern seine Touren restlos ausverkauft und außerdem gebeten wird, die Oscarverleihung zu moderieren, ist das gemeinhin kein Anzeichen für eine Karriere, die sich im Keller befindet.
Rocks weißes Publikum hingegen, zu dem ich natürlich zähle, ist wiederum überwiegend angetan und findet seine Antwort passend und voll auf den Punkt. Ich finde außerdem, es wird sehr deutlich, wie tief die Wunde saß und sitzt, und dass es nicht notwendigerweise Smith war, der Rock am meisten verletzt hat. Für mich ist daher der beste Teil daher das Timing des Specials: Eine Woche vor der nächsten Oscarverleihung kriegt die Academy nun das Dach angezündet, ohne, dass sie auch nur namentlich erwähnt wird. Das ist die heftigste Ohrfeige für die Organisatoren, die nicht nur wenige Minuten nach der Tat den Täter mit seinem Oscar belohnten statt ihn umgehend hinauszuwerfen, sondern für einen Saal voller vermeintlicher FreundInnen und KollegInnen, die Smith nun noch eine stehende Ovation entgegenbrachten. Dieser Vertrauensbruch war die ultimative Demütigung, der härteste Schlag ins Gesicht.
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Why is no one talking about the artist-daughters?
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Über 142 Millionen „vermisster“ Mädchen, weil die Geburt eines Sohnes bevorzugt wurde.
Über 4 Millionen Frauen werden jährlich Opfer von Genitalverstümmelung.
Über 100.000 Frauen jährlich werden Opfer eines Femizids.
Jede 5. Ehe weltweit wird mit einer Kinderbraut geschlossen.
Über 475 Millionen Frauen und Mädchen sind Analphabetinnen.
Über 287.000 Frauen sterben jährlich im Wochenbett.
Über 33 Millionen Frauen werden prostituiert.
(Alle Zahlen: UNFPA)
Es ist Internationaler Weltfrauentag und nein, Männer sind nicht mitgemeint. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass es gefährlich ist, das so zu sagen, zeigt, wie dringend nötig dieser Tag leider noch immer ist.