Tschüs, Adobe. Hallo Affinity Publisher, DaVinci Resolve und Procreate.

Ich habe heute mein Abonnement der Adobe Creative Cloud gekündigt und arbeite nach nunmehr 33 mit Adobe-Produkten verbrachten Jahren ausschließlich mit Alternativlösungen. Kein Photoshop mehr, keine Adobe Schriften mehr, kein InDesign, Illustrator, Premiere Pro oder Audition mehr. “It’s been swell, but the swelling’s gone down”, wie es das Tank Girl so schön formuliert hat.
Wer um 1990 professionell in Grafik, Bildbearbeitung oder Satz/Druckvorstufe arbeitete, war mitten im Umbruch von traditioneller zu digitaler Arbeitsweise und hatte zunächst eine recht breit gefächerte Palette von Software zur Verfügung, die überwiegend mittelmäßig bis schlecht traditionelle Arbeitsmittel simulieren und ersetzen wollte. Ich studierte im dritten Semester Grafikdesign an der von Gerd F. Setzke gegründeten und international renommierten Kunstschule Alsterdamm in Hamburg, die soeben ihren 40. Geburtstag gefeiert hatte und deren Alumni in den Werbeagenturen, Designstudios und Verlagen der Welt erfolgreich waren. Setzke hatte null Liebe für den Computer übrig und auf die leicht nervöse Frage einiger Studierender, wann wir denn mit Computern arbeiten würden, antwortete er: „Nur über meine Leiche.“
Und so geschah es: Gerd F. Setzke starb am Silvestertag 1989 mit 77 Jahren und mit Beginn des Frühjahrsemesters 1990 saßen wir Drittsemester (und höhere Semster) zwei Nachmittage der Unterrichtswoche an nigelnagelneuen Apple Macintosh Rechnern der Modelle SE/30, CX, CI und sogar einem FX. Horst Busecke, langjähriger Dozent und Freund Setzkes, der die Leitung der Schule nunmehr zusammen mit Setzkes Witwe übernahm, hatte die Zeichen der Zeit erkannt – bestand allerdings darauf, dass die jüngeren Semester erst einmal sehen und mit den traditionellen Werkzeugen umzugehen lernten, um zu verstehen, was da simuliert werden sollte und warum das Ergebnis aus der Maschine keineswegs adäquat oder auch nur brauchbar war.
Es war abzusehen, dass die Zukunft mit Adobe Photoshop v.1.0, Illustrator ’88 (wie die Software damals noch hieß), Aldus FreeHand 2 und PageMaker, sowie dem geheimnisvollen Macromind Director, und den rahmenorientierten Layoutprogrammen RagTime und Quark XPress sehr spannend und rosig sein würde. Die Entwicklungen schritten bald rasch voran, Aldus wurde von Adobe übernommen, andere Firmen gingen in Konkurs und ihre – oft überlegenen – Produkte verschwanden vom Markt; bald verschwanden ganze Berufe. SchriftsetzerInnen mit Jahrzehnten Berufserfahrung bekamen vom Arbeitsamt eine Umschulung zum „DTP-Grafiker“ und schüttelten die Köpfe ob der minderwertigen Ergebnisse, die oft niemandem außer ihnen selbst auffielen, oder wenn, dann aufgrund der niedrigeren Produktions- und Personalkosten von den Kunden schulterzuckend in Kauf genommen wurden. Einen Flyer oder ein Plakat setzen lassen? Studierende mit eigenem Mac und raubmordkopierter Version von Aldus Pagemaker und geklauten Linotype-Schriften erledigten die digitale Druckvorstufe für zehn Mark Stundenlohn. Es war der Wilde Westen, wie einige Jahre später im Webdesign.
Wenn ich hier so häufig den Mac erwähne, dann deshalb, weil es damals nur sehr wenige Softwareversionen für Windowsrechner gab. Windows spielte in der Grafikabteilung einfach überhaupt keine Rolle zu Beginn der 90er. Apple war zwar auch damals schon teuer, aber ihre Rechner waren schlicht der Goldstandard. Steve Jobs war aus seiner eigenen Firma gemobbt worden und baute „nExt“ und Pixar auf. Der Mac war noch kein Statussymbol sondern schlicht eine beigefarbene Kiste mit grafischer Benutzeroberfläche, die klaglos und zuverlässig ihren Job machte und nicht alle drei Minuten abstürzte, wie Windows in jenen Tagen. Adobes erste Version von Photoshop für Windows kam überhaupt erst Ende 1992 heraus, fünf Jahre nach der Mac Version. Da war ich längst mit dem Studium fertig und arbeitete inzwischen als Videografikerin für SAT.1 an Quantels „HAL“ und „Henry“ Paintboxen und Silicon Graphics Indigo Maschinen. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.
Photoshop verbesserte sich in Lichtgeschwindigkeit, der Quantensprung in den Hyperraum kam, als 1994 mit der Version 3.0 Ebenen eingeführt wurden. Man kann es sich heute gar nicht vorstellen, aber bis dahin mussten Änderungen an einer Arbeit mittels „Sichern als …“ in einem neuen Dokument abgelegt werden, wollte man ggf. noch einmal zur vorherigen Version zurückkehren. Jetzt konnte man individuelle Änderungen an verschiedenen Ebenen eines Bildes vornehmen, ohne das ganze Bild zu zerstören oder sich durch Dutzende von Versionen hangeln zu müssen. Wenn der Kunde z.B. sagte „ich hätte gern den Baum aus dem Vordergrund von Version 4 und die Landschaft im Hintergrund aus Version 2“ dann war das eine Sache von ein, zwei Klicks und nicht mehr ein komplett neuer Auftrag, der sich über mindestens einen halben Arbeitstag erstrecken würde.
Adobe hat über die Jahre und Jahrzehnte viele gute, sinnvolle und perfekt umgesetzte Softwareversionen und -produkte herausgebracht und fortlaufend verbessert. Sie waren immer sehr teuer, aber immer ihr Geld wert. Irgendwann überwarf sich Adobe mit Apple, das inzwischen wieder unter Steve Jobs’ Führung stand, und fokussierte sich mehr auf Windows, vernachlässigte ihre Stammnutzer auf dem Mac. Updates kamen lustlos und verspätet, wenn überhaupt. Und ca. 2012 stieg Adobe dann auf das SaaS-Modell um: „Software as a Service“, mit anderen Worten: Das Abomodell.
Künftig konnte man sich nicht mehr einmalig eine Packung Photoshop kaufen und die nächsten Jahre einsetzen, sondern war gezwungen, die Software zu abonnieren, inklusive Zwangsupdates, für ca. € 750 im Jahr. Für mittlere und größere Agenturen, Verlage und Designstudios kein nennenswertes finanzielles Problem, für Freelancer und ambitionierte HobbyanwenderInnen durchaus, denn manch neuer Release setzte neue Hardwarekäufe voraus.
Manche argumentierten, dass man dafür ja die ganze Palette an Adobes Produkten bekam, nicht nur Photoshop oder Illustrator. Und klar, das stimmte. Auch war die Software schon vorher nicht gerade ein Schnäppchen, man musste rund € 3.000 für eine Einzelplatzlizenz eines einzelnen Programms hinblättern, und zwar auf einmal, statt in monatlichen Raten. Die Software konnte man aber klaglos noch Jahre später nutzen, oder sogar verkaufen. Mit dem Abomodell war das fortan nicht mehr möglich.
Es gab – außer bei InDesign – keine ernsthaften Mitbewerber oder Konkurrenten. Es gab zwar Bestrebungen im open source Bereich (Gimp statt Photoshop, Inkscape statt Illustrator), die jedoch nicht ernsthaft für den professionellen, oder auch nur semiprofessionellen Bereich einsetzbar waren. Einzelne Lösungen von kommerziellen Anbietern wie Clip Studio Pro lassen dringend benötigte Photoshopfeatures vermissen, selbst wenn sie andere, praktische Features mitbringen.
Und schliesslich ist es bei Freelancern üblich, mit den KollegInnen in Agenturen, Verlagen und Designstudios offene Dateiversionen zu tauschen. Niemand geht gerne das Risiko ein, dass eine zeitkritische Arbeit verlorengeht, weil das Freelancer-Sparbrötchen das Dokument aus seiner merkwürdigen Software heraus „in einem kompatiblen Format“ abgespeichert hat, das nun in der Agentur niemand mehr öffnen kann, warum auch immer. Schuld hat am Ende immer der- oder diejenige, deren Werkzeug und Arbeitsweise von der Norm abweicht, bzw. extern arbeitet. Für jede/n von diesen exotischen Spinnern stehen drei in der Warteschlange, die brave Teamplayer sind und die Standardsoftware nutzen.
Die meisten Freelancer stiegen also zähneknirschend mit auf das Abomodell um, so auch ich. Zwanzig Jahre Erfahrung wegzuwerfen und eine Palette neuer Produkte von der Pike auf zu lernen, deren Zukunft am seidenen Faden einer interessierten open source Community hing? Jobs zu verlieren oder gar nicht erst bekommen, weil ich mit exotischer Software arbeite? Wer bezahlt mir das?
Hinzu kam, dass sich über die Jahre eine florierende, vielfältige Szene von Drittanbietern entwickelt hatte, auf deren Plugins und Hilfsmittel ich ebenfalls ungern verzichtet hätte. Illustrator – das Vektorenzeichenprogramm – war für meine Zwecke ohne die Plugins von Von Glitschkas Inkscribe und Vectorscribe völlig sinnlos. (Inzwischen ebenfalls nur mehr als SaaS zu bekommen.) Premiere Pro, das Videoschnittprogramm, ist hier im Einsatz mit vielen kleineren und größeren Problemlösungsplugins, in die ich über die letzten Jahre einige hundert Dollar investiert habe. Weiterhin habe ich -zig digitale Pinsel für Photoshop gekauft, inklusive einem sehr praktischen Verwaltungstool namens BrushBox. Nein, ich blieb bei der “Adobe Creative Suite”, wie das Produkt inzwischen hieß.
Adobe war schon immer ein zwielichtiger Player, wenn es um Datenschutz und DRM, digital rights management und Marketing ging. Um die einzelnen Programme nutzen zu können, muss man sich Spysoftware installieren, die tief ins Betriebssystem schaut und den Traffic abschnorchelt. Wer das nicht möchte, oder teils durch Drittanbietertools zu unterbinden sucht, muss damit rechnen, dass Adobe einem über Nacht den Zugriff abklemmt – auch den auf eigene Dateien.
Denn inzwischen war Adobe auch klammheimlich dazu übergegangen, dich als EndanwenderIn dazu zu bringen, deine Sachen in der Cloud abzulegen, zum Beispiel, indem das als Standard vorprogrammiert ist und du erst in den Einstellungen festlegen kannst, dass du deine Sachen lieber auf der heimischen Festplatte sicherst. Speicherplatz ist teuer, und wie praktisch ist die Cloud doch auch gerade unterwegs! Die Cloud ist aber kein magischer Ort im Weltall, sondern schlicht ein Euphemismus für „anderer Leute Computer“. Auf die man dan ggf. ebenfalls keinen Zugriff mehr hat, wenn Adobe irgendwie findet, du hättest den Betriebsablauf gestört. Ankläger, Richter und Henker – Adobe hat die absolute Kontrolle und Macht über dich und zögert nicht, sie zu nutzen.
Ich sah mich also nunmehr immer intensiver nach sinnvollen Alternativen um. Und um 2014 herum passierte plötzlich etwas: Serif brachte Affinity Designer, Publisher, und Photo für den Mac heraus, zu Preisen um die €50 je App – Einmalzahlung, kein Abo. Savage Interactive hatte ein großes Update für Procreate veröffentlicht, eine iOS App für das iPad, Preis um €25, einmalig, kein Abo. Im Bereich Videobearbeitung war DaVinci Resolve durchaus einen zweiten Blick wert und noch dazu kostenlos. Dennoch war ich noch nicht zu überzeugen, umzusteigen. Insbesondere die Affinityprodukte machten mir noch Bauchschmerzen in der Anwendung. Aber es wurde deutlich, dass Adobes Tage – zumindest bei mir – endgültig gezählt waren.
Inzwischen war es 2022 und ich hatte zähneknirschend ein weiteres Jahr der Creative Suite gekauft. Ich überschlug: Womit verbringe ich die meiste Zeit bei der Arbeit? Mit welchen Produkten und Dienstleistungen erwirtschafte ich das meiste Geld? Wo bin ich auf die perfekte, kompromisslose Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen, ob nun AgenturkollegInnen oder Drucker?
Die Analyse ergab: Auf Photoshop würde ich am ehesten verzichten können. Ich zeichne und aquarelliere in aller Regel traditionell, brauchte Photoshop eigentlich inzwischen nur noch für die Farbkorrekturen nach dem Scannen bzw. für die Druckvorstufe. Wenn ich mal digital male, dann eigentlich fast nur noch in ProCreate auf dem iPad, das sich inzwischen zum Quasi-Standard gemausert hat, nicht zuletzt dank des großen iPad Pros und der zweiten Version des Apple Pencils. Sehr gelegentlich greife ich noch auf ClipStudio Paint (ehemals Manga Studio) zurück, das ein überragendes Sprechblasenmanagement bei Comics hat, aber auch hier ist schon abzusehen: ProCreate wird das irgendwann perfektioniert haben.
InDesign ist hier im Haus das am zweithäufigsten genutzte Programm der Adobe CS, damit layoute und setze ich die Bärlender und meine Bücher und erstelle ich die meisten Kundenprojekte. Hier ist Affinity Publisher mit Version 2.0 inzwischen auf Ballhöhe mit Adobes InDesign und hat bei einigen Funktionen sogar die Nase leicht vorn. Version 1 bekommt nach wie vor Sicherheitsupdates und funktioniert weiterhin tadellos. Das Upgrade für die Version 2 gab es für die KäuferInnen der ersten Affinityprodukte übrigens mit sehr großem Preisnachlass. Und nach wie vor reden wir hier über Einmalzahlungen.
Premiere Pro schließlich hat mich am längsten zögern lassen, den Umstieg zu wagen. DaVinci Resolve hat einen unschlagbaren Preis: Es ist kostenlos, und es ist schon in der kostenlosen Version unfassbar mächtig. Es gibt auch eine noch umfangreichere Bezahlversion, die aber auch nur einmalig € 345 kostet.
Aber DaVinci Resolve hat auch eine unfassbar steile Lernkurve. Ich kann einige, mir bei der Arbeit mit Premiere Pro lieb gewordene Plugins von Drittanbietern nicht mehr nutzen. Und schließlich gibt es auf der „Universität YouTube“ – wo man sich zuallererst Lösungen für auftretende Probleme sucht – nur wenige Creators, die mit DaVinci arbeiten; die meisten nutzen Premiere Pro oder aber Apples Final Cut Pro. (Diejenigen, die mit DaVinci arbeiten, sind aber andererseits auch wieder echte Profis und selbst ihre Homevideos schauen noch mal ganz anders aus als die von den, sagen wir mal, Peter McK.’s dieser Welt.)
Ich tröste mich damit, dass ich, sollte es notwendig werden, Premiere auch nach Kündigung der gesamten Creative Suite immer noch einzeln für den Übergang abonnieren kann, was mich aktuell rund € 290/Jahr kosten würde, gegenüber einmaligen € 350 für Apples Final Cut Pro oder € 90/Jahr für CapCut.
Videoschnitt auf dem iPad geht am besten via LumaFusion (ca. € 30 einmalig), damit komme ich allerdings noch nicht so gut zurecht und mir fehlt hier auch sehr der größere Monitor und der Anschluss an die Studiolautsprecher. Videoschnitt auf dem iPad fällt hier daher vorerst aus.
Apples Final Cut Pro wäre wahrscheinlich die klügste Wahl, weil es auf die Hardware von Apple abgestimmt ist. Andererseits habe ich hier einen der letzten Macs mit Intel Chip, und Apple fokussiert sich zunehmend auf die hauseigenen M-Chips. Und ein neues Macbook Pro steht nicht im Budget, dieses hier ist noch keine drei Jahre alt.
Ich trauere Adobe nicht wirklich nach, aber ich trauere darum, was es einmal war und was es hätte werden können. Ich bin lange aus dem Alter raus, in dem die Antwort auf „Mac oder PC?“, „QuarkXpress oder PageMaker“ und „FreeHand oder Illustrator?“ darüber entschied, ob man in einer Agentur arbeiten wollen würde. Ein guter Freund von mir arbeitet seit vielen, vielen Jahren als Entwickler bei Adobe und ich wünsche ihm, dass er dort weiterhin glücklich ist und noch ein paar Jahre lang einen relativ krisensicheren Job hat.
Aber ich bin raus aus dem goldenen Käfig.